Mir kamen da doch noch ein paar Gedanken …
… zur Schulpflicht. So wie ich es verstehe – korrigiert mich gerne, wenn ich mich irre -, ist sie eine gut gemeinte Einführung, um Eltern daran zu hindern, ihren Kindern den Schulbesuch zu verweigern. Damit alle Bildung erhalten können und nicht zuhause bleiben oder arbeiten müssen. Im Grunde also ne gute Sache.
Aber dieses „gut gemeint“ ist ja eben oft auch das Gegenteil von gut.
Wie wäre es, Achtung, nicht erschrecken, kleines Gedankenspiel, wenn die Schule freiwillig wäre? Wenn es statt der Schulpflicht für Kinder so etwas wie ein Verbot für Eltern gäbe, ihre Kinder vom Lernen abzuhalten. Dass also Eltern einbestellt würden, wenn das Kind offensichtlich zurückgehalten wird oder zuhause viele Probleme hat und sich erklären müssten, statt dass die Kinder und Jugendlichen sich rechtfertigen müssen, wenn sie nicht kommen. Diese Pflicht trifft die Falschen. Alle Kinder sollen Zugang zu Bildung haben dürfen. Das ist schön. Aber ihnen die Pflicht aufzuerlegen, in jeder Gemütsverfassung und Lebensphase dort sein zu müssen und sich das Leben quasi zu verpfuschen, wenn das eine Weile durch widrige Bedingungen nicht klappt, ist eine Bürde, die Kinder und Jugendliche nicht tragen sollten.
Denn, was, wenn sie nicht kommen wollen, weil sie in der Schule gemobbt werden oder Rassismus ausgesetzt sind? Sei es durch das Schulsystem selbst, durch Lehrkräfte oder durch andere Mitschüler*innen. Oder weil sie unter der Trennung der Eltern leiden und einfach gerade keinen Kopf dafür haben, oder sie gar von zuhause weggenommen wurden, weil die Eltern nicht klar kamen. Wenn sie sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht konzentrieren können und nicht ständig wieder Ärger kriegen wollen, weil sie hibbelig sind, unkonzentriert oder unvorbereitet. Und dann immer mehr zum „Problemkind“ gestempelt werden.
Wie wäre es, wenn es wirklich freiwillig wäre zu kommen? Wenn es zusätzlich ein breites Angebot außerschulischer Angebote gäbe, die sie in ihren Sorgen unterstützen, sie stärken oder sie auf praktische Weise im Lernen unterstützen.
Wenn es vielleicht dann auch noch mehr Unterstützung für überforderte Eltern und angespannte Paardynamiken gäbe.
Und wie viel würde sich in so manchem Zuhause von Schulkindern entspannen, wenn es beispielsweise ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe und die Eltern oder ein alleinerziehendes Elternteil weniger existenzielle Sorgen zu schultern hätten. Und weniger Abwertung von Job Center und Co. erführen.
Aber, ich schweife ab …
In meiner Erfahrung können sich Kinder und auch jugendliche Teilnehmer*innen in meinen Trainings viel besser auf die Themen des Workshops einlassen, wenn sie merken, dass ich das mit der Freiwilligkeit absolut ernst meine. Wenn sie sich auch gerne mal irgendwo kurz hinlegen dürfen oder wirklich auch die Option hätten zu gehen und was Anderes zu machen. Wenn z.B. ein Grundschüler sich kurz aus dem Stuhlkreis entfernt und sich an den Rand setzt und statt eines Tadels, eine Einladung erhält, sich jederzeit wieder zu uns gesellen zu können, wenn er wieder kann. Oder wenn die Teilnehmer im Gefängnis (wo Freiwilligkeit ein ganz schwieriges Thema ist) merken, dass ich ihnen wenigstens einen „Joker“ aushandle, wenn sie wirklich keinen Kopf für den Kurs haben. Und wir ansonsten innerhalb des Raumes nach Wegen suchen, wie die Freiwilligkeit bestehen bleiben kann. Sobald jene, die all ihre, über lange Jahre trainierten Abwehrmechanismen einsetzen, merken, dass ich es wirklich ernst meine mit der Freiwilligkeit, der Widerstand gegen den Zwang verschwindet, kommt die Freude am Tun und die Lust, etwas Neues zu lernen. Die Stimmung im Raum wird entspannter. Es ist kein Machtkampf mehr, sondern ein spannender Austausch. Und die verhandelten Möglichkeiten der „Auszeit“ werden kaum mehr in Anspruch genommen.
Diese Stimmung der Freiwilligkeit und Freude wünsche ich mir auch an den Schulen, in den Klassenzimmern. Auch für die Lehrer*innen. Die ja der Machtspiele auch oft so unendlich müde sind. Und sicherlich auch mehr Freude am Unterrichten hätten, wenn Kinder vor ihnen säßen, die freiwillig da sind und Lust am Lernen haben. Diese Lust am Lernen, die eigentlich jedes Kindergartenkind hat, das schon der Schule entgegenfiebert.
Ich hoffe, wir kommen bald weg von dem Gedanken, dass alle Menschen faul und untätig wären, sobald sie nicht gezwungen werden.
Noch ein paar News:
Es gibt jetzt auch eine
Podcast-Reihe zum A.T.C.C.-Ansatz! Hört gerne mal rein. Ich habe auch einen Teil aufgenommen :-)
https://atcc-konfliktbearbeitung.de/podcasts-zum-atcc-ansatz
Und dann bin ich jetzt auch
auf der Homepage des Zentrum für Bewegung und Kommunikation in Berlin zu finden mit meinem Angebot für die kreative Jugendberatungsgruppe "Zwischen_Welten". Wer also Jugendliche zwischen 14-17
Jahren kennt, die Interesse haben könnten, melde sich gerne bei mir.
https://zbk.berlin/teams/maria-krisinger
Kommentar schreiben