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Gedankespiele #5 Die Kraft der Wut nutzen

Es ist wieder Sommer und meine Gedankenspiele jähren sich zum ersten Mal. Vielen Dank für eure vielen schönen Reaktionen und Antworten!

Im Moment treibt mich ein Thema wieder einmal ganz besonders um.

Es ist die Wut.

Wie das zum Sommer passt? Nun ja, die Wut ist ja auch ein bisschen wie die Sonne. Sie kann Felder oder unsere Haut verbrennen - und was wir in dem Fall dringed brauchen ist Schutz durch schattige Bäume oder Sonnenmilch. Sie kann aber auch Pflanzen beim Wachstum unterstützen, kann uns in gute Laune versetzen oder Energie spenden über Solaranlagen. Es kommt eben ganz darauf an, wie man mit ihr umgeht und wie man sie nutzt.

So brauchen wir auch im Moment der brennenden Wut erst einmal Schutz und einen sicheren Ort, aber wenn wir ihre Energie dann nutzen, können wir unsere Grenzen klarer setzen oder Ungerechtigkeit bekämpfen.

„Wut will Veränderung. (...) Wut ist produktiv“ schreibt Magarete Stokowski in „Untenrum frei“ und Gandhis Enkel Arun Gandhi sagt sogar „Wut ist ein Geschenk“.

Das klingt vielleicht komisch für einige von euch. Denn Wut ist ja eher ein unangenehmes, ja, beängstigendes Gefühl. Ich selbst habe manchmal richtig Angst, was ich tun könnte, wenn sie stark in mir lodert. Noch dazu ist sie in der Gesellschaft eher ungerne gesehen. Mädchen soll(t)en das gar nicht haben (denn sie soll(t)en ja auch nichts verändern oder bewirken), Kinder werden in ihr Zimmer geschickt. Insassen im Gefängnis in eine Zelle weit weg von allen anderen. All das hat nichts damit zu tun, Wut als ein Geschenk oder eine produktive Kraft willkommen zu heißen.

Ich hatte nun einige Wochen, in denen ich sofort und völlig übertriebene Wutgefühle in mir hatte. Wenn mir jemand blöd vor die Füße läuft, neben mir laut schlürft, im Gehen auf sein Handy glotzt und damit allen den Weg versperrt... Die Liste könnte noch ewig so weiter gehen. Ich habe meine Wut nicht offen gezeigt, „Gott bewahre“! Aber die Gedanken, die ich im Kopf hatte, waren zum Teil alles andere als gewaltfrei.

Und ich kenne ja eigentlich die Mittel, mit denen man sich beobachten kann. Ich bitte ja auch beispielsweise die Insassen ein Tagebuch über ihre Gefühle und Wahrnehmungen zu schreiben, einen Wutball zu nutzen, Sport zu machen.

Aber ich schiebe das Tagebuch schreiben vor mir her, weil ich Angst habe davor, was dabei raus kommt. Wer weiß, was da unten in mir so alles schlummert. Und was, wenn es raus ist? Irgendwo schwarz auf weiß geschrieben steht. Dann müsste ich ja Konsequenzen ziehen. Und würde ich das wollen? Was würde das nach sich ziehen? Du meine Güte, kein Wunder, dass es den Insassen so schwer fällt dieses Tagebuch zu schreiben. Wenn man noch nie in sich geblickt hat und eine solch harte Vergangenheit hat, wie sollte man den Mut finden, ein Licht in die dunkle Höhle zu halten?

Ich habe mich dann aber doch, mit Hilfe eines Workshops, mit meiner Wut befasst. Ich merkte, dass ich immer dann wütend werde, wenn jemand unbedacht ist, nicht auf seine Mitmenschen um sich herum achtet. Wenn einer einfach unaufmerksam ist oder es so wirkt, als denke die Person, sie sei alleine auf der Welt. Oder auch, wenn in Beratungen der Kontakt fehlt. Wenn es in der Arbeit eigentlich gar nicht um die wirklichen Wünsche und die besten Wege für den*die Jugendliche*n geht. Gar nicht gehen kann. Weil der Weg, den er*sie brauchen würde, um in eine gute Zukunft zu gelangen nicht gestattet wird oder keinen Schutz vor Abschiebung bietet.

Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Kontakt also. Bzw. deren Abwesenheit.

Ich habe daraufhin erstmal angefangen wieder mehr auf mich selbst zu achten und mir gegenüber aufmerksam zu sein. Habe mal einen ganzen Tag zuhause verbracht, aufgeräumt, geschlafen und Musik gemacht. Bin nach der Arbeit noch eine Runde schwimmen gegangen, habe mir wieder leckeres Essen gekocht.

Dann habe ich besprochen, dass ich nicht immer mit sehr vielen Betreuungspersonen zu einem externen Beratungstermin gehen möchte, bei dem dann am Ende alle Erwachsenen über den besten Weg diskutieren, über den Kopf der*des Jugendlichen hinweg. Sondern dass wir uns absprechen, welche Einzelperson den Menschen begleitet und er*sie damit wieder im Mittelpunkt steht.

Das hat schon enorm geholfen. Die Wut hatte mir also erstmal wieder mehr Kraft und Energie gegeben. Ich dachte jetzt eine ganze Weile, dass es sich damit erledigt hat.

Aber das stimmt nicht ganz. Denn es geht ja auch noch um diese rechtlichen, politischen Themen. Dass Menschen, die Schutz suchen, keinen bekommen sollen. Dass sie angeblich nicht schutzbedürftig genug sind.

Gestern hatte ich ein Gespräch mit einem Kollegen. Auch er fühlt große Wut. Wut auf diese Willkür in unserer Flüchtlingspolitik. Darauf, dass man in manchen Fällen noch so viel tun kann und dem betreffenden Menschen keine Hoffnung machen kann. Sie ihm aber auch nicht komplett absprechen kann. Man kann nichts machen. Nicht mal einen fundierte und klare Aussage geben, ob oder wann die Abschiebung ins Heimatland, in dem Krieg herrscht, droht.

Der Kollege fühlt das Bedürfnis, sich, wie damals in der Jugend, wieder zu radikalisieren. Kampf also. Das ist ja nicht so mein Muster....

Ich denke dann immer: „Du hast es doch gelernt. Nutze die Wut als Antrieb zur Veränderung“. In meinem Kopf höre ich dann ein genervtes „Bla, bla, bla...“ Und dann setzt augenblicklich die Verzweiflung und die Ohnmacht ein. Erstarrung also.

Diese Verzweiflung, gegen diese Übermächte wie die Ausländerbehörde, das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ und die Verhaftungen von Menschen, die andere Menschen vor dem Ertrinken retten, nichts ausrichten zu können. Das Gefühl der Windmühlen.

Aber ich habe keine Lust mehr auf Erstarrung! Ich möchte endlich die Wut in Handlung umsetzen! Aber dafür brauche ich Unterstützung.

Wir können das alles doch nicht einfach so passieren lassen!

Wer hat Lust, sich zu treffen und Pläne zu schmieden?

Ich denke da an einen ersten Workshop, den ich anbieten möchte, der sich erst einmal mit den Gefühlen befasst, die in uns rumoren, wenn wir an diese Themen denken. Sie sollen gesehen, gehört und gewürdigt werden. Sie sind da und das ist gut so! Ich denke, dass wir erst danach wirklich an unsere kreative Energie gelangen können, wie wir in kleinen oder großen Schritten Veränderungen einleiten können.

Bitte meldet euch bei mir, solltet ihr Interesse haben. Und leitet die Nachricht auch gerne weiter an mögliche Interessenten.

Wenn wir ein paar Leute zusammen haben, können wir einen Termin finden.

 

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