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Gedankenspiele #1: "Sommer"

Sommer. Richtiger Sommer.  
Mit Temperaturen zwischen 25 und 32 Grad. Und trotz gelegentlicher Schwankungen ins etwas Kühlere, bin ich dankbar, dass sich die Jahreszeit in diesem Jahr ihren Namen auch verdient. Und so verbringe ich meine freien Stunden, in einer eigentlich sehr dichten und beschäftigten Zeit, im Freibad. Ein Hoch auf die Saison-Karte!
Besonders interessant wird es,  wenn der 10-m-Turm geöffnet ist. Da sitze ich, die Beine im kühlen Hellblau baumelnd und beobachte diese mutigen Menschen, die sich dort hinauf und hinunter wagen. Dabei zeigen sich viele verschiedene Weisen, mit der Angst umzugehen. Denn, wenn der Kopf den Körper mit all seinen Überlebensinstinkten davon überzeugen will, sich 10 m in die Tiefe zu stürzen, springt unweigerlich die Angst an.
Es gibt jene, die ihre Angst überrumpeln wollen. Sie laufen an, schauen nicht hin und springen einfach. Ohne in eine Aushandlung mit sich selbst kommen zu müssen. Das funktioniert ersteinmal blendend. Aber ist das Erfolgserlebnis dann ebenso hoch, wie nach einer kraftvollen Überwindung? Denn ohne Angst kein Mut, oder? Und wie ist es für den Körper, nicht mal ein bisschen in den Entscheidungsprozess miteinbezogen zu sein?
Dann gibt es jene, die lange oben stehen. Runter schauen. Ansetzen. Zurück rudern. Anlaufen. Verweigern. Zur Treppe zurück gehen. Wieder zur Kante pirschen. Der innere Konflikt ist in 10 Metern Höhe für alle sichtbar. Und da ein gutes Theaterstück einen Konflikt braucht, einen inneren Widerstreit, haben sie ein breites Publikum. Die Spannung ist im ganzen Becken spürbar. Alle fiebern mit. Rufe der Aufmunterung erklingen, ebenso wie Ratschläge. Die Person oben nimmt sich Zeit für die Entscheidungsfindung. Wer weiß, vielleicht redet sie ihrem Körper gut zu. Dass das Ganze eine von vielen erprobte Sache ist und keinesfalls tödlich. So mache ich das zumindest immer. Denn ich stehe auch schon mal gerne eine gefühlte halbe Stunde auf einem Felsen am Meer und kämpfe mit meinem Überlebensinstinkt und meinem großen Wunsch zu springen. Und dann, wenn die Spannung unten im Becken kaum noch auszuhalten ist, alle Gespräche sich um diesen Sprung drehen, weil sich jeder mit mindestens einer der Seiten im Wiederstreit identifiziert, springt die Person. Eine Entladung der Freude und Anerkennung seitens derer im Becken, die gefühlt selbst gesprungen sind.
Und dann sind da noch jene, die dort oben stehen, runter schauen, inne halten und sich mit voller Überzeugung dafür entscheiden, umzudrehen und zum 5-m-Turm herabzusteigen. Oder das Springen einfach ganz lassen. Vielleicht ein ander Mal. Vielleicht nie. Jedenfalls wissen sie, dass dies nicht der Moment ist. Dass ihre Angst berechtig ist und sie auch nicht überwunden werden muss. Und welche Größe sie besitzen, sich ernst zu nehmen und – im Auge der meisten Betrachter -  zu scheitern. Welch Größe und Stärke es ist, sich, unter den Buh-Rufen vom Beckenrand, nicht selbst zu verlieren und wie ein Lemming, ungewollt über den Rand zu stürzen. Und wie bezeichnend für unsere Gesellschaft, das Engeständnis von Angst mit Schwäche und Scheitern zu assoziieren und mit Abwertung zu quittieren. Statt mit anerkennendem Applaus, ob der Fähigkeit, sich seiner Grenzen bewusst zu sein. Und wie erfrischend ist es da, wenn sich dann doch einige meinen Worten der Anerkennung anschließen.
 
Tja, wie hältst du es mit der Angst?
Grund genug Angst zu haben gibt es derzeit allemal. Wo man auch hinsieht, wahnsinnige Machthaber, sich ausbreitender Rechtspopulismus, Parteien, die sich von den Rechten treiben lassen auch ein bisschen rechter zu werden. Auch hier, springt die Angst unweigerlich an. Ob wir sie nun spüren wollen, oder nicht.
Springst du einfach über sie hinweg? Fordert sie daher schon beleidigt mit Rücken- oder Kopfschmerzen deine Aufmerksamkeit. Oder Verhandelst du lange mit dir, vielleicht auch, weil die Anerkennung nach einem langen Entscheidungsprozesses gut tut? Bist du eine von denen, die wissen, dass ein 10-m-Sprung nichts für sie ist und eine sanftes Gleiten ins Wasser der richtige Weg ist?
Und wofür steht das Wasser? Was versinnbildlicht es in deinem Leben? Wo soll es hingehen mit dir und der Gesellschaft? Welcher Weg ist der richtige?
All diese Fragen möchte ich mit euch genauer anschauen und im Austausch miteinander dazu arbeiten.
Wer Interesse hat, sei herzlich zu meinem Seminar eingeladen:

Die  Welt steht Kopf – und wo stehe ich? 15. und 16. September, Berlin-Kreuzberg
Informationen findest du auf: https://www.maria-krisinger.de/training/die-welt-steht-kopf-und-wo-stehe-ich/
 
 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ursula (Uschi) Schröder (Sonntag, 11 November 2018 12:25)

    Hallo Maria,
    wir haben uns auf der Messe in der Weiberwirtschaft letzten Freitag kennen gelernt (an meinem Stand) und dann bei der (finde ich) leider etwas verunglückten Qi Gong Präsentation (= großartiges Geschenk für die eigene Weiterentwicklung).
    Heute bin ich dabei, meine Unterlagen zu sortieren, auszuwerten. Dabei habe ich auch deine Visitenkarte entdeckt, die mich auf deine Seite entführt hat. Wie schön, dich auf diese Weise noch einmal wiederzutreffen!
    Vielen Dank für deinen sehr gut beobachteten, wunderschön formulierten und für Wasserratten, wie ich eine bin, altagsbezogenen Artikel über die Angst. Ich liebe das Wasser, leider wecken unbekannte Gewässer und das Meer Ängst in mir. Im sicheren Rahmen des Schwimmbeckens im Kreuzberger Freibad habe ich dieses Jahr, wie du auch, die Badesaison in vollen Zügen und bis zum letzten Augenblick genossen.

    Ich freue mich darauf, dich bei Qi Gong?? (habe leider nicht notiert, wer welchen Gutschein mitgenommen hat) oder einem Ernährungsvortrag wiederzusehen.

    Herzliche Grüße vom herbstlichen Oranienplatz.
    Ursula Schröder

    www.qigong-schroeder.de
    www.fuenfelemente-schroeder.de